XIV/1/12
( Verhältnis der Pro Potsdam GmbH zum städtischen Immobilien- Vermögen der Lan- deshauptstadt Potsdam)
Vor dem Hintergrund ständiger, auch städtische Wohnungen betreffender, Mietsteigerungen ist ein Blick auf die Herkunft des Eigenkapitals der meistens noch aus DDR-Zeiten stammenden städtischen Wohnungsbaugesellschaften im „Beitrittsgebiet“ sehr lehrreich. Obwohl diese – wie im Beispiel Potsdams – nach der Wiedervereinigung in Form des lastenfreien, ehemals staatlichen Grundeigentums am Wohnungsbestand mit einem gewaltigen Eigenkapital ausgestattet worden sind, schlägt sich dieser Umstand in der Höhe der von den Mietern zu zahlenden Nutzungsentgelte nicht nieder. Stattdessen ver(sch)wendet die Stadt die jährlichen Kapitalerträge aus ihrem Wohnungsbestand für ihre diversen finanziellen Bedürfnisse auf anderen Gebieten, ohne darüber ihren Mietern Rechenschaft abzulegen.
Bis zum Zeitpunkt der Abschaffung der kommunalen Selbstverwaltung im Zusammenhang mit dem Aufbau des Sozialismus in der DDR im Jahre 1952 war die Landeshauptstadt Potsdam – wie heute wieder – eine staatsfreie kommunale Gebietskörperschaft des öffentlichen Rechts. Seit den sogenannten „Stein-Hardenberg’schen-Reformen“ Anfang des 19. Jahrhunderts galt in Brandenburg/Preußen der Grundsatz der kommunalen Selbstverwaltung. Die Stadt als Körperschaft war rechtsfähig. Danach stand der Bürgerschaft der Stadt Potsdam gegenüber dem Staat das Recht zu, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft eigenständig und ohne Beeinflussung des Staates zu ordnen. In diesem Zusammenhang hatte die Bürgerschaft der Stadt Potsdam im Laufe der Jahre ein erhebliches Grundstücksvermögen erworben, u. a. auch solche Grundstücke, die zur Behebung der Wohnungsnot mit Wohnhäusern bebaut worden waren. Dieses städtische Grundvermögen fiel im Zusammenhang mit der Abschaffung der kommunalen Selbstverwaltung im Jahre 1952 und der Auflösung der Rechtsfähigkeit der Stadt Potsdam dem Staat, hier also der DDR, zu, welcher das vormals städtische Grundeigentum nunmehr als Volkseigentum, also staatliches Eigentum der DDR, beanspruchte.
Mit der Abschaffung der kommunalen Selbstverwaltung und der damit verbundenen Auflösung der Kommunen errichtete die DDR anstelle der bisherigen Selbstverwaltungsorgane die sogenannten „örtlichen Räte“. Diese waren nach dem Vorbild der Lenin’schen Sowjets in Rußland organisierte, den übergeordneten staatlichen Ministerien unterstellte staatliche Verwaltungsbehörden. Zum Zwecke der Verwaltung des vormals kommunalen Wohnungsbestandes gründete die DDR volkseigene Betriebe der Wohnungswirtschaft, die formal der jeweiligen „örtlichen Volksvertretung“, also dem örtlichen Rat/Sowjet, unterstellt wurden. Demgemäß wurde der volkseigene Betrieb „Wohnungswirtschaft Potsdam“ zuständig für die Verwaltung des ehemals kommunalen Grundeigentums, sofern dieses Wohnungszwecken diente, also mit Wohnhäusern bebaut war. Nach der Auswanderung eines großen Teils des Adels und des Bürgertums wurden die in diesem Zusammenhang auch im Wortsinn „herrenlos“ gewordenen und deshalb enteigneten und in das Volkseigentum überführten Grundstücke ebenfalls dem VEB Wohnungswirtschaft Potsdam zur Verwaltung übertragen.
In diesem Zusammenhang wichtig zu wissen ist, daß sich die rechtliche Beziehung des VEB Wohnungswirtschaft Potsdam zu den von ihm verwalteten volkseigenen Wohnungsgrundstücken nach der Rechtsträgeranordnung vom 7.7.1969 und nach der Verordnung über den Verkauf und Kauf volkseigener unbeweglicher Grundmittel vom 28.8.1968 richtete. Danach war der VEB Gebäudewirtschaft nicht Eigentümer, sondern lediglich „Rechtsträger“ des von ihm verwalteten staatlichen „volkseigenen“ Grundeigentums. Die Rechtstellung des Rechtsträgers in diesem Sinne war vergleichbar mit derjenigen eines Treuhänders. Danach hatte der volkseigene Wohnungswirtschaftsbetrieb an „seinen“ Grundstücken lediglich eine eingeschränkte Verfügungs- und Verwaltungsmacht. Nach der sogenannten „Grundmittelverkaufsverordnung“ galten die einem VEB im Wege der Rechtsträgerschaft zugeordneten Grundstücke nicht als veräußerbare „Grundmittel“ im Sinne der Grundmittelverkaufsverordnung. Grundmittel in diesem Sinne waren nach dem DDR-Wirtschaftsrecht nur Maschinen und bauliche Anlagen auf volkseigenen Grundstücken, nicht aber das volkseigene Grundstückseigentum als solches, das damit auch zwischen VEB’s nicht veräußert werden konnte. Gemäß § 1 V der Rechtsträgeranordnung durfte der Verkauf volkseigener unbeweglicher Grundmittel „nur in Verbindung mit dem Rechtsträgerwechsel für das Grundstück“ erfolgen. Zuständig für diesen Rechtsträgerwechsel war die bei dem Rat der Stadt Potsdam gebildete „Abteilung für staatliches Eigentum“, die praktisch die Aufgabe hatte, Verfügungen über unbewegliche volkseigene Grundmittel seitens der volkseigenen Wirtschaftsbetriebe zu überwachen und das Volkseigentum insgesamt zu schützen.
Durch § 1 des Kommunalverfassungsgesetzes der DDR vom 17. Mai 1990 wurde die kommunale Selbstverwaltung auf dem Gebiet der DDR wiederhergestellt. Die Stadt Potsdam wurde kraft dieses Gesetzes erneut eine staatsfreie Gebietskörperschaft des öffentlichen Rechts, die sich aus ihren Einwohnern zusammensetzte. Allerdings wurde die Stadt Potsdam durch diesen Akt der Neugründung noch nicht automatisch Eigentümerin der ihr ehemals zustehenden Wohngrundstücke. Vielmehr war das Volkseigentum zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschafft worden. Nach dem im Juni 1990 in der DDR in Kraft getretenen Kommunalvermögensgesetz erhielten die Kommunen lediglich Rechtsansprüche gegenüber dem Staat (DDR) auf Übertragung des ehemals volkseigenen Wohnungsvermögens und des weiteren Volkseigentums, welches einen Bezug hatte zu den „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“.
Gemäß § 59 II Kommunalverfassungsgesetz sollten die neugebildeten Kommunen die ehemaligen VEB’s „Kommunale Wohnungsverwaltung“ in gemeinnützige Wohnungsgesellschaften umwandeln. Das am 9.8.1990, also wenige Wochen vor der Wiedervereinigung, in Kraft getretene „Gesetz über die Umwandlung volkseigener Wohnungswirtschaftsbetriebe in gemeinnützige Wohnungsbaugenossenschaften“ sah dann erstmals die Möglichkeit vor, daß die Kommune im Rahmen eines gesellschaftsrechtlichen Umwandlungsaktes das kommunale Wohnungsvermögen auf die neu entstandene GmbH übertrug. Da allerdings die Kommunen aus den oben genannten Gründen zu diesem Zeitpunkt noch nicht Eigentümer des weiterhin volkseigenen Grundstücksvermögens geworden waren, gingen entsprechende Umwandlungsakte, die auch von der Stadt Potsdam durch Gründung der „Gewoba GmbH“ im August 1990 vorgenommen worden waren, ins Leere, die „Gewoba GmbH“ war also weiterhin nur Verwalterin, nicht aber Eigentümerin ihres Wohnungsbestandes. Eigentümer desselben blieb damit auch nach der Gründung der „Gewoba GmbH“ im August 1990 die Stadt Potsdam („Landeshauptstadt“ – wohl anstelle ihrer früheren Bezeichnung „Residenzstadt“ – nennt sich die Stadt erst seit Mitte der neunziger Jahre).
Artikel 22 IV Sätze 1 und 3 Einigungsvertrag schrieben dann erstmals den Übergang des „volkseigenen Wohnungsvermögens“ in das Eigentum der örtlich zuständigen Kommune kraft Gesetzes zum 3.10.1990 vor.
Durch das Vermögensrechtsanpassungsgesetz vom 4.7.1995 wurde den Kommunen das Recht eingeräumt, fehlerhafte Umgründungsakte aus der „Wendezeit“, welche auf dem Wohnungswirtschaftsumwandlungsgesetz vom Juli 1990 beruhten, im Wege des vereinfachten verwaltungsrechtlichen Vermögenszuordnungsverfahrens vor der Oberfinanzdirektion gemäß § 2 Vermögenszuordnungsgesetz nachzuholen. Danach konnten die Gemeinden durch einen einfachen sogenannten „Zuordnungsantrag“ gegenüber der Oberfinanzdirektion diejenigen einzelnen Grundstücke bestimmen, welche im Wege der Umwandlung nachträglich Grundkapital der städtischen Wohnungsverwaltungsgesellschaften, hier also der „Gewoba-GmbH“ werden sollten. „Eigentlich“ diente das erwähnte Zuordnungsverfahren vor den Oberfinanzdirektionen lediglich der Nachvollziehung der durch den Einigungsvertrag kraft Gesetzes durchgeführten Verteilung des staatlichen Verwaltungseigentums unter die Gebietskörperschaften Bund, Länder und Gemeinden.
Da es sich im Falle Potsdam um hunderte, sehr teure Grundstücke im Wert von mehreren hundert Millionen DM handelte und die Stadt rechtlich auch nicht gezwungen war, die im August 1990 ins Leere gegangene „Umwandlung“ des VEB Gebäudewirtschaft in die Gewoba GmbH in dieser Weise erneut vorzunehmen, stand die Verwaltung der Stadt jetzt vor einer für Potsdam elementaren Grundsatzentscheidung. Es ging um nicht mehr und nicht weniger als um die Frage, ob ein großer Teil des städtischen Grundvermögens (Wohnungsgrundstücke) aus der Verfügungszuständigkeit der Stadt in die Hand der bis dahin mehr oder weniger „vermögenslosen“ Gewoba übertragen werden sollte.
Daraufhin trafen der Baustadtrat und der Finanzdezernent gemeinsam mit der Geschäftsführung der Gewoba die Entscheidung, etwa 50 Prozent des städtischen Grundeigentums auf dem jetzt im Juli 1995 erstmals ermöglichten Wege über Zuordnungsanträge bei der Oberfinanzdirektion nach Art. 231 § 9 EGBGB in das Eigentum der Gewoba zu übertragen. Diese Grundsatzentscheidung wurde den Stadtverordneten von den oben genannten Kommunalpolitikern als quasi unausweichlicher und rechtlich gebundener „Heilungsakt“ dargestellt, obwohl keinerlei rechtliche oder wirtschaftliche Notwendigkeit hierfür bestand. Auf diese Weise wurde die Gewoba erstmals mit einem riesigen Eigenkapital ausgestattet, nachdem sie vorher lediglich eine kapitalschwache Wohnungsverwaltung gewesen war.
Dr. Robbert