1.
Durch das Kommunalabgabengesetz steht den Gemeinden und Gemeindeverbänden ein rechtliches Machtinstrumentarium zur Verfügung, welches leider viel zu oft dazu mißbraucht wird, den Gemeinden und Gemeindeverbänden zur reinen Geldbeschaffung auf Kosten ihrer Bürger zu dienen. Wenn man die Tagespresse verfolgt, in der zum Beispiel unter dem 13.12.2008 darüber berichtet wird, daß die Stadt Potsdam sieben Jahre lang völlig überhöhte Müllgebühren verlangt hat, wird man darüber aufgeklärt, daß die illegale Geldbeschaffung auf dem Wege über hoheitliche Gebühren- und andere Abgabenbescheide zunimmt und daß offenbar die Gemeinden keinerlei Scheu davor haben, das geltende Recht zu verletzen und sich illegal auf Kosten der Bürger zu bereichern.
Nachfolgend wird ein Fall aus dem Bereich des Wasser- und Abwasseranschlußbeitragsrechts dargestellt, der sich auf dem Gebiet eines südwestlich von Berlin gelegenen Wasser- und Abwasserzweckverbandes (WAZV) abgespielt hat.
2.
Die unmittelbar östlich von Potsdam bzw. südwestlich Berlins belegenen Gemeinden A., Gb., G., J. und L. haben in den neunziger Jahren zum Zwecke der Abwasserentsorgung und der Frischwasserversorgung der Einwohner des Verbandsgebietes den Wasserversorgung- und Abwasserentsorgung-Zweckverband (WAZV) gegründet und diesem die Aufgabe der Erschließung der noch nicht an das Wasser- und Abwassernetz angeschlossenen Baugrundstücke sowie die anschließende Versorgung dieser Grundstücke übertragen. Die Erschließung gehört als typische öffentliche Aufgabe der örtlichen Gemeinschaft im Sinne des Art. 28 Grundgesetz zu den Selbstverwaltungsaufgaben der Gemeinden.
Auf dem Gebiet der Großgemeinde L. liegen die Dörfer J., M. und G., deren Baugrundstücke bisher nicht an das Wasserversorgungsnetz angeschlossen waren. Im Jahre 1997 tauchte in dem Ortsteil G. der Gemeinde L. ein ehemaliger Bankdirektor aus Westdeutschland auf, der den Gemeindevertretern versprach, die gesamten Abwasser- und Frischwasseranschlußbeiträge für die 24 Eigentümer der bis dahin vorhandenen bebauten Grundstücke des Ortsteils zu übernehmen, wenn die Vertreterversammlung bereit sei, ihm das Gelände einer ehemaligen LPG zu verkaufen und einen Bebauungsplan zu beschließen, der ihm die Umsetzung seines Projektes, die Schaffung einer aus 80 Wohneinheiten bestehenden Reihenhaussiedlung mit Namen „G. am Wald“ ermöglicht. Da die Einwohnerschaft des Ortsteils die Hoffnung hatte, auf diese Weise nicht selbst die ansonsten voraussehbaren Wasser- und Abwasseranschlußkosten zu tragen, beschloß die Gemeindevertretung, dem Wunsch des Investors bzw. der von ihm gegründeten „Projektentwicklungsgesellschaft G. am See“ KG nachzukommen. Im Anschluß daran wurde auch ein entsprechender Bebauungsplan beschlossen und das fragliche Areal an den Investor verkauft.
Gleichzeitig schloß die „Projektentwicklungsgesellschaft G. am See“ KG mit dem Abwasserzweckverband WAZV unter dem 27.10.1997 einen sogenannten „Erschließungsvertrag“. In diesem Vertrag übertrug der Abwasserzweckverband gemäß § 124 Baugesetzbuch die eigentlich ihm obliegende Herstellung sämtlicher „wasserversorgungs- und abwasserbeseitigungstechnischen Anlagen“ sowohl für das Neubaugebiet „G. am Wald“ mit 80 Wohneinheiten, als auch für sämtliche 24 vorhandenen „Altgrundstücke“. In dem Vertrag verpflichtete sich die Projektentwicklungsgesellschaft gegenüber dem WAZV dazu, sämtliche Anlagen zur Entwässerung und zur Frischwasserversorgung auf eigene Kosten nach den Maßgaben des WAZV herzustellen und anschließend an diesen zu übereignen. Sodann verpflichtete sich die Projektentwicklungsgesellschaft dazu, anstelle der für den Anschluß der neu herzustellenden Anlagen an das Wasserwerk des WAZV hinsichtlich der Neubauten „normalerweise“ fällig werdenden Anschlußbeiträge einen Betrag in Höhe von DM 185.000,00 für Schmutzwasser und in Höhe von DM 70.000,00 für Trinkwasser an den WAZV zu zahlen.
Darüber hinaus verpflichtete sich die Siedlungsgesellschaft gegenüber dem WAZV auf Bitten der dem Verband angehörenden Gemeinde L., sämtliche 24 „Altgrundstücke“ bzw. deren Eigentümer „von den erstmalig zu erhebenden Anschlußbeiträgen für das Ver- und Entsorgungssystem freizustellen“. Wegen der einzelnen, in den Genuß dieser Vergünstigung kommenden „Altbürger“ des Ortsteils G. der Gemeinde L. sollte nach Unterzeichnung des Vertrages von dem Ortsbürgermeister eine Liste erstellt werden, die dem Vertrag als Anlage 8 beigefügt werden sollte. Dies geschah dann auch etwa zwei Jahre nach Abschluß des Vertrages. Zur Sicherung der aufgrund dieser Vereinbarung von der Projektentwicklungsgesellschaft gegenüber dem WAZV geschuldeten „Ablösungsbeträge“ übergab die Projektentwicklungsgesellschaft dem Verbandsvorsteher des WAZV zwei sogenannte Leistungsbürgschaften eines Bankinstitutes in Höhe von DM 250.000,00 und von weiteren DM 200.000,00.
Im Anschluß daran stellte die Projektentwicklungsgesellschaft das gesamte Rohrleitungssystem zum Zwecke der Herstellung des Anschlusses sowohl der neuen Reihenhäuser ihrer Projektsiedlung als auch für sämtliche 24 bereits vorhandenen Häuser des Ortsteils G. auf eigene Kosten her. Nach Fertigstellung des Projekts bzw. der Anschlüsse beantragte der Geschäftsführer der Projektentwicklungsgesellschaft bei dem zuständigen Amtsgericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Die Zahlung der vereinbarten Ablösebeträge unterblieb daraufhin sowohl für die neue Reihenhaussiedlung als auch für die fraglichen Alt-Anliegergrundstücke. Der Vorsteher des WAZV wandte sich infolgedessen an die bürgende Bank, welche sich in den beiden Bürgschaftserklärungen „selbstschuldnerisch und auf erstes Anfordern“ verpflichtet hatte, die in dem Vertrag von der Projektentwicklungsgesellschaft übernommenen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Trotz dieser eindeutigen vertraglichen Verpflichtung weigerte sich jedoch die Bank nunmehr, ihren Verpflichtungen nachzukommen und berief sich hierbei auf die angebliche Unwirksamkeit der von der Projektentwicklungsgesellschaft übernommenen Zahlungsverpflichtungen zugunsten der Alt-Anliegergrundstücke bzw. des Neubaugebietes. Insbesondere behauptete die Bank nun, die fraglichen Zahlungsverpflichtungen seien deshalb unwirksam, weil es sich bei ihnen um eine „unangemessene Gegenleistung“ im Sinne von § 56 II Verwaltungsverfahrensgesetz handele. Diese Vorschrift lautet wörtlich: „Die Gegenleistung muß den gesamten Umständen nach angemessen sein und im sachlichen Zusammenhang mit der vertraglichen Leistung der Behörde stehen.“
Unter dem 31.8.2005 haben sich der Verbandsdirektor des WAZV und die Bank im Sinne eines Vergleichs darüber geeinigt, daß die Bank anstelle der in den Bürgschaften verbürgten Summe in Höhe von insgesamt DM 450.000,00 eine einmalige Zahlung in Höhe von € 130.000,00 an den WAZV zahlt. Trotzdem erließ der WAZV im Anschluß gegenüber den von der Ablösungsverpflichtung in dem „Erschließungsvertrag“ vom 27.10.1997 begünstigten Alt-Anliegern jeweils Abwasseranschluß- und Frischwasseranschlußbeiträge in Höhe von jeweils mehreren tausend Euro. In der Bescheidbegründung heißt es, die festgesetzten Anschlußbeiträge dienten der Umlage der dem WAZV angeblich entstandenen „Kosten der erstmaligen Herstellung der öffentlichen Schmutzwasser- bzw. Frischwasseranlage des Verbandsgebietes“. Die soeben dargelegten Vereinbarungen werden in dem Bescheid mit keinem Wort erwähnt, auch nicht bei der rechnerischen Darstellung des geforderten Beitrages.
3.
Der Unterzeichnete hat einen der betroffenen „Alt-Anlieger“, der eigentlich in den Genuß der zwischen der Projektentwicklungsgesellschaft und dem WAZV vereinbarten Beitragsfreiheit kommen sollte, in dem Verwaltungsprozeß gegen den Anschlußbeitragsbescheid vertreten. Nach Auffassung des Verfassers verstößt der angefochtene Anschlußbeitragsbescheid aus mehreren Gründen gegen das geltende Recht.
Nach § 8 Kommunalabgabengesetz dürfen die Gemeinden für die erstmalige Herstellung öffentlicher Anlagen grundsätzlich nur insoweit Beiträge von den begünstigten Grundstückseigentümern erheben, als ihnen durch die Herstellung der Anlage auch tatsächlich entsprechende Kosten entstanden sind (Prinzip der Kostendeckung). Aus dem gleichen Grund verlangt § 8 VII, daß „Zuwendungen Dritter – sofern der Zuwendende nichts anderes bestimmt hat -, zunächst zur Deckung des nichtumlagefähigen Gemeindeanteils der tatsächlich entstandenen Kosten und schließlich zur Deckung des übrigen Aufwandes zu verwenden“ sind. Auf diese Weise soll ebenfalls sichergestellt werden, daß die Gemeinden nicht einerseits ihre Kosten durch Fördermittel des Landes oder private Zuwendungen decken und diese gleichzeitig noch einmal über Beiträge erneut bei ihren Einwohnern in Rechnung stellen. Sie sollen nicht mehr auf die Bürger umlegen, als sie tatsächlich für die Herstellung der konkreten neuen Anlage ausgeben mußten. Letzteres ist in dem vorliegenden Fall aber erfolgt, indem sich der Abwasserzweckverband als Organ der beteiligten Verbandsgemeinden zumindest sämtliche Anschlußleitungen, die zur Erschließung des gesamten Ortsteils G. notwendig waren, kostenlos von der Projektentwicklungsgesellschaft herstellen ließ und zudem sich für den Anschluß des Ortsteils an das Wasserwerk über die Bürgschaften bzw. den in diesem Zusammenhang abgeschlossenen Vergleich mit der bürgenden Bank weitere € 130.000,00 gesichert hatte. Der WAZV hätte also in dem angefochtenen Anschlußbeitragsbescheid diese Vorgänge erwähnen müssen und bei der Kalkulation der Beiträge zumindest berücksichtigen müssen, wenn nicht bereits die in dem Vertrag mit der Projektentwicklungsgesellschaft vom 27.10.1997 enthaltene Klausel zugunsten der „Alt-Anlieger“ als ein völliger Verzicht auf Anschlußbeiträge anzusehen wäre.
Darüber hinaus beruht im vorliegenden Fall die Berechnung des sogenannten „Beitragssatzes“, den der betroffene Alt-Anlieger für jeden Quadratmeter seines Grundstücks im Zusammenhang mit dem Anschluß zu zahlen hat – im vorliegenden Fall € 5,98 pro qm – auf einer sogenannten „Schätzkalkulation“. Gemäß § 8 IV Satz 2 KAG darf von der Gemeinde anstelle des hier für einen konkreten Anschluß tatsächlich entstandenen Aufwandes „nach Einheitssätzen, denen die der Gemeinde oder dem Gemeindeverband für gleichartige Einrichtungen oder Anlagen üblicherweise durchschnittlich erwachsenen Aufwendungen zugrunde zu legen sind, ermittelt werden“. Satz 3 dieser Vorschrift bestimmt zusätzlich, daß „bei leitungsgebundenen Einrichtungen und Anlagen, die der Versorgung oder der Abwasserbeseitigung dienen, der durchschnittliche Aufwand für die gesamte Einrichtung oder Anlage veranschlagt und zugrundegelegt werden“ kann. Letztere Regelung soll nach dem Willen des brandenburgischen Gesetzgebers ausschließlich die kommunalen Wasserverbände begünstigen. Die Vorschrift ist in sich nicht verständlich, weil nicht nachvollziehbar ist, auf welcher Grundlage „der durchschnittliche Aufwand für die gesamte Einrichtung… veranschlagt und zugrundegelegt werden“ soll. Jedenfalls kann die Vorschrift nicht so verstanden werden, daß der Gesetzgeber damit den Wasserverbänden das Recht einräumen würde, von dem Kostendeckungsprinzip abzuweichen, also rein fiktive und nicht mehr tatsächlich entstandene Kosten für die Kalkulation zugrunde zu legen. Eine solche Auslegung der Vorschrift wäre verfassungswidrig, da das Prinzip der Kostendeckung bei kommunalen Abgaben auf dem Rechtsstaatsprinzip und der Eigentumsgarantie beruht (sogenanntes „Äquivalenzprinzip“, BVerwGE 12, 162 ff.). Auch bei den Wasserwerken muß also bei der Beitragskalkulation auf tatsächlich entstandene Kosten des jeweiligen Wasserwerkes abgestellt werden.
Der Verfasser hat sich im Hinblick auf diese Regelung die konkrete Beitragskalkulation („Schätzung aufgrund Einheitssätzen“) des WAZV vorlegen lassen. Dabei hat er feststellen müssen, daß diese Kalkulation zum weitaus überwiegenden Teil auf Kostenpositionen beruht, die dem WAZV überhaupt nicht entstanden sind, so daß sie in keiner Weise den gesetzlichen Anforderungen (Schätzung aufgrund tatsächlich der Gemeinde bzw. dem Verband entstandener Kosten) genügen. Vielmehr hat der WAZV seiner Beitragskalkulation eine ausschließlich auf betriebswirtschaftlichen bzw. bilanzrechtlichen Grundsätzen beruhende Wertberechnung zugrundegelegt. Soweit überhaupt tatsächliche Kostenpositionen in diese Kalkulation eingestellt sind, handelt es sich weitgehend um Werte, die der Verband anderen Investoren im Rahmen vergleichbarer Erschließungsverträge – wie mit der Projektentwicklungsgesellschaft – abgeschlossen hatte.
In diesem Zusammenhang ist bedauerlich, daß § 8 IV KAG den Gemeinden gestattet, bei der Kalkulation des Beitragssatzes für die erstmalige Herstellung der Frisch- und Abwasseranlage den Nennwert der aus dem Gemeindevermögen stammenden Grundstücke des Wasserwerkes und derjenigen bereits zu DDR-Zeiten fertiggestellten Werksanlagen einzubeziehen, obwohl die Gemeindeverbände in diesem Fall real keinerlei Finanzmittel aufwenden mußten. Sie können also fiktive Kosten auf ihre Bürger umlegen, die sie gar nicht zu zahlen hatten. Vielmehr wurden zum Beispiel im vorliegenden Fall den Verbandsgemeinden vorhandene wasser- und abwassertechnische Anlagen im Wege der Vermögenszuordnung kostenlos übereignet, die zuvor im Eigentum der Treuhandanstalt gestanden hatten, weil sie Volkseigentum gewesen waren. Im Ergebnis müssen also Bürger im Land Brandenburg diese aus DDR-Zeiten stammenden Werte über Kommunalabgaben nochmals bezahlen, obwohl es sich um ehemaliges Volkseigentum, also auch um Eigentum der Bürger gehandelt hatte. Eine wenig bürgerfreundliche Entscheidung des brandenburgischen Gesetzgebers.
Dr. Robbert