Seit Monaten berichten die lokalen Tageszeitungen über die teilweise mit gewaltsamen Mitteln ausgetragenen Auseinandersetzungen zwischen den Eigentümern der Anliegergrundstücke einerseits und der Bürgerschaft andererseits um die Erhaltung der nach der „Wende“ der Öffentlichkeit zugänglich gemachten Uferwege. Zuletzt hat die Landeshauptstadt Potsdam durch ein von einem Jura-Professor ausgearbeitetes Rechtsgutachten ihre Rechtsauffassung begründen wollen, nach welcher der Wunsch der Bundesrepublik Deutschland, die Eigentümerin von Teilen der Uferwege ist, diese Wegegrundstücke an den Meistbietenden zu veräußern, rechtswidrig sei, weil dadurch „öffentliche Zwecke behindert“ würden (Bericht der „Potsdamer Neuesten Nachrichten“ vom 14.5.2010, Seite 9). Die Angelegenheit wirft unter Berücksichtigung der Vorgeschichte dieser Auseinandersetzung ein bezeichnendes Licht auf die Arbeitsweise der in die Angelegenheit involvierten Verwaltungsstellen.
Wenn man – wie dies in der politischen Auseinandersetzung nun einmal die Regel ist – polemisch überspitzt formulieren will, kommt man an der Umschreibung nicht vorbei, daß das Land Brandenburg nach der „Wende“ öfter wie ein mittelalterliches Lehen verwaltet wurde, was bis heute nachwirkt. Die Vorgeschichte des „Uferwegstreits“ bildet hierfür ein markantes Beispiel.
1. Entstehungsgeschichte
Entstehungsgrund des auf der ehemaligen „DDR-Seite“ des Griebnitzsees belegenen Uferweges ist die Tatsache, daß unmittelbar an dieser Uferseite der Kontrollweg für die Grenzsicherungsanlagen nach Berlin-West verlief. Die für diese Zwecke benötigten Grundstücksflächen wurden in den Jahren nach dem „Mauerbau“ auf der Grundlage des Grenzgesetzes der DDR durch die DDR in einem förmlichen Enteignungsverfahren gegen Zahlung einer Entschädigung enteignet und in staatliches Eigentum überführt (Volkseigentum). Ursprünglich reichten die Grundstücke der auf diese Weise teilweise enteigneten privaten Grundstückseigentümer unmittelbar bis zum Seeufer, so daß bei Entstehung der Grundstücke bzw. in den Jahren der Errichtung der dort vorhandenen herrschaftlichen Villen kein öffentlicher Uferweg vorhanden war.
Nach der Seitens der Regierung der DDR verfügten Öffnung der Grenze zu Westberlin wurden die neben dem Sicherungsstreifen errichteten, aus Stahlbeton bestehenden Grenzsicherungselemente entfernt und an Devisenausländer über die Außenhandelsinstitutionen der DDR als Souvenir veräußert. Noch vor der Wiedervereinigung am 3.10.1990 beschloß die im Mai 1990 erstmals frei gewählte Stadtverordnetenversammlung der Stadt Potsdam, den ehemaligen Grenzkontrollstreifen am Ufer des Griebnitzsees der Bevölkerung zugänglich zu machen, um damit die Tragweite der mit der politischen Wende verbundenen Umwälzung zu dokumentieren. In diesem Beschluß der Stadtverordnetenversammlung der Landeshauptstadt Potsdam ging man davon aus, daß der ehemalige Grenzstreifen auf Dauer in einen begrünten Rad- und Fußgängerweg umgewandelt werden sollte. Demgemäß wurde der ehemalige Grenzstreifen in diesem Bereich von Hindernissen befreit, in einen begehbaren Zustand umgewandelt und anschließend der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
2. Rechtslage nach dem Vermögenszuordnungsrecht
Das Vermögenszuordnungsrecht ist entstanden auf der Grundlage der Artikel 21 und 22 des Einigungsvertrages, der bekanntlich am 3. Oktober 1990 in Kraft getreten ist und der die mit der Wiedervereinigung verbundenen rechtstechnischen Probleme bewältigt. Durch das sogenannte Vermögenszuordnungsrecht wird das Verwaltungszwecken dienende staatliche Eigentum der Deutschen Demokratischen Republik (Volkseigentum), das aufgrund der zentralistischen Staatsorganisation der Deutschen Demokratischen Republik ausschließlich dieser zustand, auf die in der bundesdeutschen staatlichen Ordnung existierenden sogenannten Gebietskörperschaften, also den Bund, die Länder und die staatsfreien Kommunen (Gemeinden), aufgeteilt. Entsprechend dem staatsrechtlichen Verständnis des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland unterscheiden die Artikel 21 und 22 Einigungsvertrag zwischen dem sogenannten „Verwaltungsvermögen“ einerseits (Artikel 21 Einigungsvertrag) und dem sogenannten „Finanzvermögen“ (Artikel 22 Einigungsvertrag) andererseits. Unter dem Verwaltungsvermögen (Artikel 21 EV) wird dasjenige Vermögen einer Gebietskörperschaft verstanden, welches unmittelbar bestimmten Verwaltungszwecken dient.
Im vorliegenden Zusammenhang ist von Bedeutung, daß die im öffentlichen Eigentum stehenden öffentlichen Wege und Parks, die der Fortbewegung bzw. der Erholung der Bürgerschaft dienen, einem Verwaltungszweck zugeordnet sind, der zu dem Bereich der „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“, also zu den Verwaltungsaufgaben der Kommunen (Gemeinden) gehört (vgl. Artikel 28 Grundgesetz sog. „kommunale Aufgaben“).
Artikel 21 des Einigungsvertrages bestimmt nun, daß das am 2. Oktober 1990 zu Zwecken öffentlicher Verwaltung eingesetzte Volkseigentum der DDR auf denjenigen Verwaltungsträger (Bund/Land/Gemeinde) kraft Gesetzes in einer „logischen Sekunde“ übergeht, in dessen Zuständigkeitsbereich diejenige Verwaltungsaufgabe gehört, welcher der jeweilige Vermögensgegenstand am 2. Oktober 1990 zuletzt gedient hat.
Bereits aufgrund dieser grundsätzlichen Entscheidung des Artikels 21 des Einigungsvertrages stand also am 3.10.1990 fest, daß die nach der Entfernung der Grenzsicherungsanlagen auf dem Mauerstreifen am Griebnitzsee durch Entscheidung des Rates der Stadt Potsdam Mitte 1990 der Öffentlichkeit als öffentlicher Weg übergebene ehemalige Mauerstreifen am 3.10.1990 Eigentum der Stadt Potsdam geworden war. Dieses vermögenszuordnungsrechtliche Ergebnis wird untermauert durch die Regelung des noch vor der Auflösung der DDR von der Volkskammer verabschiedeten Kommunalvermögensgesetzes vom 6. Juni 1990 (GBl. I Seite 660). Dort heißt es ausdrücklich in § 1: „Volkseigenes Vermögen, das kommunalen Aufgaben dient …, wird den Gemeinden, Städten und Landkreisen kostenlos übertragen.“ Demgemäß heißt es in Anlage II zum Einigungsvertrag (Besondere Bestimmungen für fortgeltendes Recht der Deutschen Demokratischen Republik) unter Kapitel IV. Abschnitt II Ziffer 2. zur Fortgeltung des Kommunalvermögensgesetzes vom 2.6.1990: „Den Gemeinden, Städten und Landkreisen ist nur das ihren Verwaltungsaufgaben unmittelbar dienende Vermögen (Verwaltungsvermögen) … zu übertragen.“
Obwohl es sich also bei dem gesamten, heute so umstrittenen, Uferweg am Griebnitzsee am 3.10.1990 nach Ansicht des Verfassers um Grundstückseigentum der Landeshauptstadt Potsdam gehandelt hat, ist die Landeshauptstadt Potsdam niemals als Grundstückseigentümerin dieser Grundstücksflächen eingetragen worden. Vielmehr hat sich die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesvermögensamt, als Eigentümerin der Grundstücke im Grundbuch eintragen lassen.
Ursache für diese aus heutiger Sicht sehr merkwürdige Tatsache ist die Regelung des § 2 I des Vermögenszuordnungsgesetzes vom 22.3.1991 (Bundesgesetzblatt I Seite 766). Diese Vorschrift regelt den grundbuchrechtlichen Vollzug der in Artikel 21 Einigungsvertrag grundsätzlich kraft Gesetzes vorgesehenen Aufteilung des Volkseigentums, darüber hinaus aber faktisch auch die endgültige Verteilung des ehemaligen Volkseigentums unter Bund, Ländern und Gemeinden. Danach ist Voraussetzung für die Eintragung des zuständigen Verwaltungsträgers im Grundbuch der Erlaß eines bei dem hierfür zuständigen Oberfinanzpräsidenten zu beantragenden „Zuordnungsbescheides“. Voraussetzung eines solchen Bescheides ist ein entsprechender Vermögenszuordnungsantrag desjenigen Verwaltungsträgers, welcher das fragliche Grundstück nach Artikel 21 Einigungsvertrag für sich beansprucht.
Im vorliegenden Fall hat die Landeshauptstadt Potsdam bei der Oberfinanzdirektion einen solchen Vermögenszuordnungsbescheid hinsichtlich der fraglichen Uferweggrundstücke im Jahre 1992 gestellt. Gleichzeitig hatte die Bundesfinanzverwaltung bei der Oberfinanzdirektion einen solchen Zuordnungsbescheid beantragt und begründet, so daß die Grundstücke durch Vermögenszuordnungsbescheid der Oberfinanzdirektion dem Bund zugeordnet worden sind, der anschließend als Eigentümer dieser Grundstücke im Grundbuch eintragen worden ist. Dabei hat der Oberfinanzpräsident diese Entscheidung auf der Grundlage des Umstandes getroffen, daß die fraglichen Uferweggrundstücke vor ihrer Umwidmung durch die Entscheidung des Rates der Stadt Potsdam zu einem Uferweg im Zusammenhang mit der ehemaligen Grenzsicherung sogenannten „Verteidigungszwecken“ gedient hatten, für welche nach heutigem Verständnis der Bund zuständig ist maßgeblich ist aber allein derjenige Verwaltungszweck, dem das Grundstück zuletzt am 2.10.1990 gedient hatte (siehe hierzu: Susanne Meyer, „Die Zuordnung von Mauergrundstücken nach Einigungsvertrag und VZOG“ in: VIZ 1996, 314 ff).
Der Oberbürgermeister hat im Jahre 1997 gegen den Zuordnungsbescheid der Oberfinanzdirektion bei dem Verwaltungsgericht Potsdam Klage erhoben und gegen die Abweisung der Klage durch das Verwaltungsgericht bei dem Bundesverwaltungsgericht hiergegen Revision eingelegt. Auch das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 16.12.2003 die Revision zurückgewiesen (BVerwG VIZ 2004, 221 ff.). Das Bundesverwaltungsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen mit dem Argument begründet, der fragliche Uferweg habe auch noch am 2.10.1990 „Verteidigungsaufgaben“ gedient, weil noch nicht alle Mauerreste von dem Grundstück entfernt worden seien. Dieses Urteil ist wohl die merkwürdigste „Behörden“-Entscheidung in dieser Angelegenheit. Mit ihr verficht das Bundesverwaltungsgericht die These, die Grenzsicherungsanlagen der DDR zu West-Berlin hätten noch am 2.10.1990, also fast ein Jahr nach der „Maueröffnung“ und drei Monate nach der Einführung der Währungsunion, eine legitime Verwaltungsaufgabe der DDR dargestellt. Dagegen wird die tatsächliche Umwandlung dieses Grenzstreifens in einen öffentlichen Uferweg auf der Grundlage des Beschlusses der ersten frei gewählten Stadtverordnetenversammlung der Stadt Potsdam als irrelevant abgetan.
3. Rechtslage nach dem Vermögensgesetz
Die Aufteilung des Verwaltungsvermögens der Deutschen Demokratischen Republik auf die heute zuständigen Verwaltungsträger Bund, Länder und Gemeinden ist erfolgt unter der Maßgabe, daß hierdurch die Rückgabe solcher Grundstücke an frühere westdeutsche Eigentümer nach dem sogenannten Vermögensgesetz (vom 20.9.1990, GBl. DDR I Seite 1627) weiterhin möglich sein sollte. Nach den soweit grundlegenden Regeln des § 1 VermG dürfen nur solche Vermögenswerte an private Eigentümer zurückübertragen werden, die entschädigungslos oder gegen eine geringere Entschädigung enteignet wurden, als sie Bürgern der früheren Deutschen Demokratischen Republik zustand. Dies war anerkanntermaßen bei Enteignungen nach dem Verteidigungsgesetz der DDR nicht der Fall. Vielmehr erfolgten diese Enteignungen in der Regel unter strenger Beachtung der maßgeblichen enteignungsrechtlichen DDR-Regelungen, wobei in der Regel auch eine rechtsstaatlichen Anforderungen genügende Enteignungsentschädigung an den betroffenen Eigentümer oder dessen gesetzlichen Vertreter gezahlt wurde. Im konkreten Fall erfolgte die Enteignung auf der Grundlage des § 10 I des Gesetzes zur Verteidigung der DDR vom 20.9.1961 (GBl. I Seite 175; grundsätzlich zur Unzulässigkeit der Rückübertragung aufgrund des Verteidigungsgesetzes enteigneten Mauergrundstücke nach dem Vermögensgesetz: Bundesverwaltungsgericht, NJW 1995, 608 f.).
Dennoch hat der Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Potsdam, der für den Bereich der Stadt Potsdam gemäß § 24 VermG auch für die Durchführung des Vermögensgesetzes zuständig ist, mehrere Teile des Uferweges in den früheren neunziger Jahren an frühere westdeutsche bzw. ausländische Privateigentümer nach dem Vermögensgesetz zurückübertragen.
Dr. Robbert