XIV/1/12
Gemäß Artikel 233 § 2 a I 3 EGBGB kann unter anderem derjenige Grundstücksnutzer, der nachweisen kann, daß er die Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 3 III, 4 oder 121 des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes (SachRBerG) erfüllt, „bis zur Bereinigung dieser Rechtsverhältnisse“ nach Artikel 233 § 2 c II EGBGB in Verbindung mit § 4 Gebäudegrundbuchverordnung in der zweiten Abteilung des Grundbuchs die Eintragung eines sogenannten Besitzrechtsvermerks „zur Sicherung etwaiger Ansprüche aus dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz“ erwirken. Hinsichtlich der rechtlichen Wirkungen dieses Vermerks stellt Artikel 233 § 2 c II 3 EGBGB klar, daß der Vermerk die Wirkung einer Vormerkung „zur Sicherung dieser Ansprüche“ hat. In der zu dieser Vorschrift ergangenen Rechtsprechung, welche wiederum beruht auf den Gesetzesmotiven, wird davon ausgegangen, daß der Vermerk auch der Sicherung des Besitzrechts des Nutzers, welches ihm Artikel 233 § 2 a EGBGB verleiht, dienen soll (OLG Brandenburg VIZ 02, 488, 489, mit Hinweis auf: Purps, NotBZ 2000, 88).
Gemäß § 886 BGB kann der von der Vormerkung betroffene Grundstückseigentümer von dem Gläubiger die Bewilligung der Löschung der Vormerkung verlangen, wenn die Geltendmachung des durch die Vormerkung gesicherten Anspruchs durch eine Einrede dauernd ausgeschlossen ist.
Da anerkanntermaßen der Verjährungseinwand gemäß § 214 I BGB eine dauernde Einrede im Sinne des § 886 BGB darstellt, fragt es sich in diesem Zusammenhang, ob der Grundstückseigentümer von dem Nutzer die Löschungsbewilligung nach § 886 BGB verlangen kann, wenn der Anspruch des Nutzers nach §§ 14, 16 SachRBerG verjährt ist.
1.
Die entsprechende Anwendung des § 886 BGB und damit ein Anspruch auf Löschung des Besitzrechtsvermerks des Grundstückseigentümers gegenüber dem Nutzer besteht nur dann, wenn sich die rechtlichen Wirkungen des eingetragenen Besitzrechtsvermerks auf die Sicherung des schuldrechtlichen Anspruchs auf Durchführung der Sachenrechtsbereinigung (§§ 14 und 16 SachRBerG) beschränken. Hierauf deutet der Gesetzestext des Artikels 233 § 2 c II Satz 3 EGBGB hin, da er dem Besitzrechtsvermerk ausdrücklich „die Wirkung einer Vormerkung zur Sicherung dieser Ansprüche“ zuerkennt. Es fragt sich allerdings, ob sich die rechtlichen Wirkungen des Besitzrechtsvermerks hierauf beschränken, ob sie nicht vielmehr auch eine Sicherung des Rechts zum Besitz des Grundstücknutzers aus dem sogenannten „Besitzrechtsmoratorium“ des Artikels 233 § 2 a I EGBGB bezwecken, indem sie dieses Recht zum Besitz durch Verlautbarung im Grundbuch gegenüber einem Erwerber schützen sollen und ob sie darüber hinaus zur Folge haben, daß der Begünstigte des Besitzrechtsvermerks sich auf die gesetzliche Vermutungswirkung des § 891 BGB erstrecken. Nach dieser Vorschrift wird zugunsten desjenigen, für welchen ein Recht im Grundbuch eingetragen ist, vermutet, daß ihm dieses Recht zustehe. Es kommt hierbei darauf an, welchen Regelungszweck Artikel 233 § 2 c II EGBGB haben soll.
§ 2 c II EGBGB gemäß Artikel 231 § 5 III bis V EGBGB wurde der öffentliche Glaube des Grundbuchs im Sinne des § 892 BGB auf dem Gebiet der früheren DDR auch hinsichtlich der noch nicht im Grundbuch eingetragenen dinglichen Nutzungsrechte bzw. des zum wesentlichen Bestandteil des dinglichen Nutzungsrechts gewordenen DDR-Gebäude-eigentums zum 1.1.2000 wiederhergestellt. Dies hat zur Folge, daß dingliche Nutzungsrechte und damit verbundenes Gebäudeeigentum im Sinne von § 295 ZGB/DDR nach diesem Zeitpunkt erlöschen, wenn der Erwerber des Grundstücks gutgläubig ist und das dingliche Nutzungsrecht im Grundbuch nicht eingetragen ist. Der Besitzrechtsvermerk nach Artikel 233 II c II EGBGB dient also der Verhinderung dieses Rechtsverlusts durch gutgläubigen Erwerb des Grundstücks. Während also das dingliche Nutzungsrechts und das DDR-Gebäudeeigentum nach Wiederherstellung des Publizitätsprinzips im Grundbuch der neuen Bundesländer durch gutgläubigen Erwerb verlorengehen kann, ist dies aber bei dem Recht zum Besitz aus dem Besitzmoratorium des Artikels 233 § 2 a I EGBGB nicht der Fall.
Dies liegt zunächst daran, daß es sich bei dem „Besitzrechtsmoratorium“ im Sinne dieser Vorschrift um ein schuldrechtliches Recht zum Besitz im Sinne des § 986 I BGB handelt, welches grundsätzlich nur „inter partes“ (relativ) wirkt und deshalb eigentlich kein absolutes, dingliches eintragungsfähiges Recht darstellt. Durch Artikel 233 § 2 a II Satz 1 RGBGB ist jedoch geregelt, daß das „Besitzmoratorium durch eine Übertragung oder einen Übergang des Eigentums oder eine sonstige Verfügung über das Grundstück nicht berührt“ wird. Folge hiervon ist wiederum, daß „ein in Bezug auf das Besitzrecht gutgläubig lastenfreier Eigentumserwerb ausscheidet“ (MünchKomm/Wendtland, 3. Auflage, Artikel 233 § 2 a EGBGB, RN 14 m. w. N.).
Mithin dient der Besitzrechtsvermerk der Verlautbarung des DDR-Gebäudeeigentums bzw. des dinglichen DDR-Nutzungsrechts des Nutzers, um deren Erlöschen durch gutgläubigen Erwerb des Grundstücks nach § 892 BGB zu verhindern. Ein Anspruch auf Durchführung der Sachenrechtsbereinigung und ein damit verbundenes Besitzrecht nach Artikel 233 § 2 a I EGBGB kann zum Beispiel in den Fällen des § 121 SachRBerG bzw. § 5 I 1 Ziffer 3. Buchstabe e) SachRBerG auch dann entstehen, wenn der Nutzer kein dingliches Nutzungsrecht und kein Gebäudeeigentum erlangt hat. Wegen der „Verdinglichung“ des Anspruchs auf Durchführung der Sachenrechtsbereinigung auch in diesen Fällen infolge der Regelung des Artikels 233 § 2 a II 1 EGBGB mußte der Gesetzgeber zum Schutze des Rechtsverkehrs in § 111 SachRBerG eine Ausgleichsregelung schaffen. Nach dieser Vorschrift erlischt der Anspruch auf Durchführung der Sachenrechtsbereinigung und das damit verbundene Besitzrecht nach Artikel 233 § 2 a I EGBGB, wenn nach dem 31.12.2000 das Grundstück insoweit gutgläubig erworben wird, sofern im Grundbuch ein Besitzrechtsvermerk zum Zeitpunkt des Abschlusses des Verfügungsgeschäfts im Grundbuch nicht eingetragen war.
Im Ergebnis dient also der Besitzrechtsvermerk auch dem Schutz des schuldrechtlichen Sachenrechtsbereinigungsanspruchs nach §§ 14, 16 SachRBerG vor dem Erlöschen gemäß § 111 SachRBerG durch gutgläubigen Erwerb des Grundstücks.
In diesem Zusammenhang soll darauf hingewiesen werden, daß dieses Besitzrecht im Ergebnis im Falle eines gutgläubigen lastenfreien Erwerbs des Grundstücks wegen des damit verbundenen Erlöschens des Sachenrechtsbereinigungsanspruchs dennoch wegfällt, da das Bestehen der Sachenrechtsbereinigungslage Voraussetzung dieses Besitzrechts ist und im Falle des Erlöschens des Anspruchs auf Durchführung der Sachenrechtsbereinigung auch das Recht zum Besitz wegfällt.
2.
Aus dem dargelegten Regelungszweck des Besitzrechtsvermerk ergibt sich, daß dieser eine gesetzliche Vermutung im Sinne des § 891 BGB nicht nur insoweit begründet, wie er den Berechtigten vor einem Verlust seiner dinglichen Rechtsposition durch gutgläubigen Erwerb des Grundstücks bewahren will. Nach herrschender Auffassung, die allerdings umstritten ist, hat die Vormerkung insoweit an der Vermutungswirkung des § 891 BGB Anteil, als sie sich auf die im Grundbuch eingetragene Person des Vormerkungsberechtigten erstreckt. Die gesetzliche Vermutung des § 891 BGB gilt vielmehr auch für das Bestehen des vorgemerkten Anspruchs selbst, da der gesetzliche Zweck des Besitzrechtsvermerks eben auch diesen schützen will.
3.
Aus den obigen Darlegungen ergibt sich, daß der alleinige Umstand der Verjährung des sachenrechtsbereinigungsrechtlichen Anspruchs nach §§ 14, 16 SachRBerG für die Löschung des Besitzrechtsvermerks trotz der grundsätzlichen Anwendbarkeit des § 886 BGB nicht ausreicht. Der Besitzrechtsvermerk verlautbart vielmehr auch mittelbar die Existenz eines dinglichen Nutzungsrechts/Gebäudeeigentums zugunsten des Berechtigten bzw. des schuldrechtlichen Rechts zum Besitz aus Artikel 233 § 2 a I EGBGB. Insoweit ist Anspruchsgrundlage für den Löschungsanspruch nicht § 886 BGB sondern § 894 BGB. Dieser Anspruch ist direkt allerdings nur auf im Grundbuch eingetragene dingliche Rechte bzw. Verfügungsbeschränkungen anwendbar. Er kann also nur analog in Verbindung mit dem allgemeinen eigentumsrechtlichen negatorischen Anspruch des § 1004 BGB im Falle der Löschung eines Besitzrechtsvermerks angewendet werden, der nur auf einem schuldrechtlichen Besitzrecht ohne vorhandenem Gebäudeeigentum beruht.
Voraussetzung für den Anspruch des Eigentümers auf Löschung des Besitzrechtsvermerks ist also nicht nur das Vorliegen der Voraussetzungen des § 886 BGB, sondern auch derjenigen des § 894 BGB. Mithin muß der Eigentümer nachweisen, daß der Besitzrechtsvermerk mit der materiell-rechtlichen Rechtslage nicht übereinstimmt, also die Voraussetzungen für das Bestehen des Rechts zum Besitz nach Artikel 233 § 2 a I Satz 3 EGBGB nicht mehr vorliegen. Da aber die Verjährung des Anspruchs auf Durchführung der Sachenrechtsbereinigung gemäß §§ 14, 16 SachRBerG nicht dazu führt, daß der Anspruch als solcher erlischt (vgl. § 214 I BGB), bleibt der Anspruch als solcher bestehen, so daß der Besitzrechtsvermerk auch nach Verjährung des Anspruchs die materiell-rechtliche Rechtslage weiter richtig wiedergibt (a. A.: Czub/Schmidt-Räutsch, a.a.O., ZfIR 07, 517, 523).
Nach herrschender Meinung begründet auch ein verjährter schuldrechtlicher Nutzungsüberlassungsanspruch ein Recht zum Besitz im Sinne des § 986 I BGB, wenn dem Besitzer der Besitz schon übertragen ist (Palandt/Bassenge § 986 RN 4). Der BGH hat in seiner Entscheidung BGHZ 90, 269 klargestellt, daß auch nach Verjährung des schuldrechtlichen Erfüllungsanspruchs des Besitzers auf Übereignung das auf dieser schuldrechtlichen Beziehung beruhende Recht zum Besitz fortbesteht. Selbst dann, wenn der Besitzerwerb des Besitzers nicht auf einer „Erfüllungshandlung“, also z. B. einer Übergabe im Sinne von § 929 BGB beruht, begründet der – wenn auch verjährte – schuldrechtliche Anspruch des Nutzers auf Durchführung der Sachenrechtsbereinigung nach § 14, 16 SachRBerG gegenüber dem Grundstückseigentümer ein Recht zum Besitz an dem Grundstück (Staudinger/Gursky, § 986 RN 25; Wieling, Sachenrecht-Enzyklopädie, § 12 I 3 a.
Dies führt dazu, daß trotz Verjährung des Sachenrechtsbereinigungsanspruchs der Eigentümer des Grundstücks die Löschung des Besitzrechtsvermerks von dem Nutzer nicht verlangen kann, solange der Nutzer weiterhin Besitzer des Grundstücks ist.
Dr. Robbert